Friseure gehören zu einer Risikogruppe, eine Thrombose oder Lungenembolie zu erleiden. Welche Risikofaktoren gibt es und was kann man tun? Ein Beitrag von Jens Dagné.

Sitzen oder Stehen – Was ist gefährlicher für die Thrombose?

Diese Frage von Jens Dagné beantworte Dr. med. Christian Moerchel – passend zum Weltthrombosetag am 13. Oktober. Dies ist der Geburtstag von Rudolf Virchow, der vor über 100 Jahren in Berlin maßgeblich zum Verständnis der Thrombose beigetragen hat. Das Datum wird seit 2014 als Weltthrombosetag begangen.
Die tiefe Beinvenenthrombose oder Lungenembolie ist danach keine typische Alterserscheinung, sondern eine vermeidbare Erkrankung.

Was ist eine Thrombose?

Eine tiefe Beinvenenthrombose oder Lungenembolie ist die Folge eines zufälligen Zusammentreffens mehrerer Risikofaktoren, wie mangelnde Bewegung, eine Veränderung der Blutgerinnung und eine Operation oder andere internistische Erkrankung. Viele weitere Faktoren wie Übergewicht, die Einnahme von Hormonen oder Zytostatika, Schwangerschaften oder entzündliche Darmerkrankungen können das individuelle Risiko für eine tiefe Beinvenenthrombose oder eine Lungenembolie beeinflussen.

Die Therapie

Die effektivste Therapie der Erkrankung ist die Antikoagulation (die Gabe eines Medikaments zur Hemmung der Blutgerinnung). Damit haben aber viele Ärzte und Patienten ihre Probleme. Die klassische Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten erfordert eine engmaschige Kontrolle mit regelmäßigen Blutabnahmen, unterschiedlichen Tagesdosen und Einschränkungen bei bestimmten Lebensmitteln. Anders ist dies bei neuentwickelten direkten oralen Antikoagulantien. Sie hemmen nicht in der Leber die Synthese von Gerinnungsfaktoren und bedürfen keiner regelmäßigen Gerinnungskontrolle.
Als diese Medikamente 2011 in Deutschland auf den Markt kamen, war die Zurückhaltung groß. Sie waren teurer als die bisherigen Vitamin-K-Antagonisten und eine Antikoagulation ohne regelmäßige Kontrollen der Gerinnung wurde als gefährlich angesehen. Das hat sich mittlerweile geändert. Die deutschen Ärzte verordnen seit 2012 immer mehr die neuen Medikamente, von denen nach den von den gesetzlichen Krankenkassen publizierten Listen über verordnete Arzneimittel am Häufigsten Rivaroxaban (Xarelto®) verschrieben wird.

Sitzen oder Stehen – Was ist gefährlicher für die Thrombose?

Diese Frage bekam der bekannte Friseur Jens Dagné aus Worms oft gestellt, und er hat sich deswegen schon viele Jahre mit den Auswirkungen des langen Stehens in seinem Beruf beschäftigt. Es gibt Untersuchungen zum potenziellen Zusammenhang zwischen körperlicher Arbeitsbelastung und langfristigen Krankschreibungen. So konnte eine dänische Studie mit 11.908 Lohnempfängern für die Jahre 2000 bis 2005 zeigen, dass, wenn man 25 Prozent oder mehr der gesamten Arbeitszeit in einer gebückten oder verdrehten Körperhaltung verbringt, das Risiko für eine langfristige Krankschreibung (mindestens drei aufeinanderfolgende Wochen) um das 1,6-fache steigt. Hocken oder Knien steigert das Risiko um das 1,3-fache. Auch wenn man dabei die Unterschiede im Alter, Geschlecht, psychosozialen Arbeitsumfeld, Lebensstill, Muskel-Skelett- und psychischen Störungen berücksichtigt, blieb dieser Zusammenhang bestehen (Andersen 2016).

Wiederum eine dänische Studie zeigte, dass arbeitende Menschen, die potenziell länger in ergonomisch ungünstigen Positionen sitzen, im Vergleich zu Menschen mit einer dynamischen körperlichen Aktivität ein signifikant höheres Risiko für eine Lungenembolie haben (Suadicani 2012).

Schon 2005 hatte eine neuseeländische Arbeitsgruppe den Terminus SIT (seated immobility thromboembolism) für die mit dem Sitzen verbundenen venöse Thromboembolien als eine neue lebensstilassoziierte Erkrankung des 21. Jahrhunderts beschrieben (Beasley 2005).

Eine stehende berufliche Belastung, wie sie für das Friseurhandwerk typisch ist, geht laut Literatur mit keinem erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse einher, aber mit der Verschlechterung einer Varikosis (Krampfaderleiden). Dies ist eine in der Allgemeinbevölkerung häufige Erkrankung, die mit dem Alter zunimmt. Eine iranische Studie belegte aber, dass bei Friseuren das lange Stehen das Risiko für eine Varikosis mehr als verdoppelt (Ebrahimi 2015). Eine englische Arbeit kam zu dem Ergebnis, dass bei Friseuren im Alter von 45 Jahren oder jünger die Häufigkeit der Varikosis in der eigenen Familie der wichtigste Risikofaktor für diese Erkrankung ist. Bei Friseuren über 45 Jahre aber stehen die Auswirkungen der beruflichen Belastung im Vordergrund.

Friseure, die über 45 Jahre alt sind und mehr als 260 Stunden pro Monat stehend arbeiten, haben ein 32-fach erhöhtes Risiko für eine Varikosis. Friseure, die mehr als 30 Jahre stehend gearbeitet haben, ein 11-fach erhöhtes Risiko. Jens Dagné empfiehlt seinen Mitarbeitern vor allem, so oft es möglich ist, auf dem Rollhocker sitzend zu arbeiten, insofern kan sich dann der Beruf stehend und sitzend abspielen. Das bewirkt, dass durch die Bewegung der Muskeln der Thrombose entgegengewirkt wird. Dazu kommt bei akuter Gefährdung natürlich das Tragen von Kompressionsstützstrümpfen.

Leider gibt es bis heute keine Therapie, eine Varikosis effektiv zu vermeiden.

Quelle: Dr. phil. Michael Moerchel
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